archivierte Ausgabe 5/2021 |
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Carolin Simon-Winter |
Chancen eines dialogischen Religions- und Ethikunterrichts |
Unter dem Titel »Verschiedenheit achten – Gemeinschaft stärken« werden an einem beruflichen Gymnasium in Offenbach Schüler*innen verschiedener Religionen, Konfessionen und Weltanschauungen gemeinsam in Religion unterrichtet. Das erfolgreiche Projekt zeigt: Differenzen – sensibel bewusst gemacht und reflektiert – können als Ressource für Lern- und Dialogprozesse genutzt werden. |
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Je vielschichtiger und uneindeutiger sich das Leben präsentiert, desto stärker wird der Ruf nach Eindeutigkeit. In seiner Schrift »Die Vereindeutigung der Welt – über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielheit« beschreibt Thomas Bauer eindrucksvoll, in wie vielen gesellschaftlichen Bereichen der Verlust von Vielfalt erfahrbar wird und vor allem, welche teils dramatische Konsequenzen dieser nach sich zieht. Bauer geht es in erster Linie nicht »um eine Kartierung der Vielfalt um uns herum, sondern um unsere Bereitschaft oder unseren Unwillen, Vielfalt in all ihren Erscheinungsformen zu ertragen. Thematisiert wird einerseits unser Umgang mit äußerer Vielfalt wie ethnischer Diversität oder einer Vielfalt an Lebensentwürfen, sowie andererseits auch unser Umgang mit den vielfältigen Wahrheiten einer uneindeutigen Welt. Denn genau dies ist unsere Welt: uneindeutig« (Bauer 12).
In der Schule werden Vielfalt und Heterogenität zwar wahrgenommen, jedoch oft eher als ein zu behebendes Problem oder – gerade was Religionszugehörigkeiten bzw. Nichtzugehörigkeiten betrifft – »kartiert«. Die Schüler*innen werden entsprechend ihrer formalen Zugehörigkeit in evangelische, katholische und Ethikgruppen eingeteilt und implizit erfahren sie dadurch: Religion ist das, was uns voneinander unterscheidet und was uns trennt.
In der Schule werden Vielfalt und Heterogenität zwar wahrgenommen, jedoch oft eher als ein zu behebendes Problem.
Diese Unterschiede werden dann auch von Schüler*innen lauthals proklamiert: »Ich glaube an die Bibel«, »Ich an den Koran!« und ein anderer »Ich an die Wissenschaft«. Und schon wird gestritten, wer denn nun recht hat und welcher Glaube der richtige ist. Das ist schade, nicht nur um des lieben Friedens willen, sondern weil mit dieser Haltung die Möglichkeit verloren geht, die Welt in ihrer Mehrdeutigkeit zu sehen und das Leben in ihr als ständigen Transformationsprozess zu begreifen.
Um der Komplexität dieser Aufgabe gerecht werden zu können, wäre es hilfreich und notwendig, verschiedene Weltzugänge und Sichtweisen in ihrer Unterschiedlichkeit und dem darin liegenden erweiterten Erkenntnispotenzial zu würdigen. Der andere wäre dann kein Konkurrent um die richtige Sicht, sondern als Komplementärpartnerin zum gemeinsam zu entwickelnden Weltverständnis zu sehen. Damit würde auch die mit der Haltung der Konkurrenz verbundene Gefahr, eine andere Sichtweise abwerten und bekämpfen zu müssen, eingedämmt werden. Eine Gefahr, die häufig dazu führt, dass nicht nur andere Sicht- und Lebensweisen bekämpft werden, sondern auch die Menschen oder Menschengruppen, die sie verkörpern.
Der Religions- und Ethikunterricht an Schulen eignet sich in besonderer Weise, um solch eine Haltung durch entsprechende pädagogische und didaktische Konzepte zur Entfaltung zu bringen.
An der Theodor-Heuss-Schule, einem Berufsschulzentrum in Offenbach/Main, wird dies seit dem Jahr 2006 in Form des dialogischen Religions- und Ethikunterrichts erfolgreich praktiziert. In dem Projekt mit dem Namen »Verschiedenheit achten – Gemeinschaft stärken« werden religiöse und nicht religiöse Schüler*innen in der 11. Klasse des beruflichen Gymnasiums im Klassenverband von einem Lehrkräfteteam, bestehend aus einer katholischen, evangelischen und muslimischen Lehrkraft sowie einer solchen für Philosophie oder Ethik unterrichtet. Eines der formulierten Ziele ist es, durch diese Form des Unterrichts das Potenzial der Unterschiedlichkeit zu nutzen und den jungen Menschen gleichzeitig eine Haltung gegenüber Andersdenkenden und -glaubenden nahezubringen, die nicht von Abwertung und Abwehr geprägt ist, sondern von Neugierde und Verstehen-Wollen. Dafür ist es notwendig, keinen ethisch oder religiös neutralen Unterricht zu konzipieren, sondern einen, in dem die unterschiedlichen Glaubens- und Lebensüberzeugungen der Schüler*innen Raum finden und zur Grundlage des Unterrichtsgeschehen werden können (vgl. RPI).
Verschiedene Differenzebenen wahrnehmen und als Ressource nutzen
Um, wie Bauer sagt, der »Kartierung« zu entgehen oder, wie es im Schüler*innenjargon heißt, »die Schubladen im Kopf zu sprengen«, beginnt das Schuljahr mit einer Installation, die dazu dient, verschiedene Differenzebenen wahrnehmbar und sichtbar zu machen. [...]
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