archivierte Ausgabe 4/2021 |
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Theresia Strunk |
Psychische Auffälligkeiten – und was Schule damit (vielleicht) zu tun hat |
»Ich bin doch nicht krank – oder doch?« Zuweilen mag eine solche Frage an Lehrkräfte herangetragen werden. Und zuweilen werden diese sich die Frage stellen: »Was ist nur los mit diesem Kind?« Der Umgang mit Auffälligkeiten gehört zum pädagogischen Alltag, und konkretes Wissen ist hilfreich, um diese besser einordnen zu können. Der folgende Artikel bietet einen Überblick über psychische Störungen, die im Kindes- und Jugendalter häufig vorkommen. |
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Adventszeit – in den Jahren meiner Tätigkeit als Psychologin in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Institutsambulanz war diese Phase stets anstrengend. Klassenarbeiten und anstehende Zeugnisse, dazu die Winterzeit schienen mir alljährlich die plausibelste Erklärung für das volle Wartezimmer zu sein. Ganz anders stellte sich die Inanspruchnahme unserer Einrichtung in den Sommerferien oder an ›Brückentagen‹ dar: Notfalltermine wurden dann sehr selten erforderlich. Schule – ein Stressfaktor?
So würde ich vielleicht annehmen, wäre da nicht die Erfahrung der Corona-Lockdowns: »Jetzt ging es mir gerade ein bisschen besser – aber dann wurde meine Klasse für zwei Wochen in Quarantäne geschickt«, berichtete eine 16-jährige Berufsschülerin, die unter Panikattacken leidet, im Herbst 2020. Struktur, Alltag, Sozialkontakte – all das ging ihr in der Zeit des Zuhause-Bleibens verloren. Damit verschlimmerte sich ihre Angst so stark, dass eine stationäre Behandlung ins Auge gefasst werden musste.
Beispiele wie diese lassen vermuten: Emotionale Stabilität und Schule haben miteinander zu tun. Manchmal bedingen sie sich vielleicht sogar. Deshalb und weil psychische Erkrankungen im Kindes- bzw. Jugendalter die Lebensqualität Betroffener auf lange Sicht signifikant beeinflussen können, scheint es sinnvoll, sich auch in schulischen Zusammenhängen mit häufigen psychischen Erkrankungen dieser Lebensphase zu beschäftigen.
Kinder- und jugendpsychiatrische Erkrankungen – ein relevantes Problem?
Zunächst sei bemerkt: Studien deuten darauf hin, dass fast jede fünfte Person unter 18 Jahren innerhalb eines Jahres an einer psychischen Störung erkrankt (vgl. BPtK Faktenblatt). Generell können die meisten psychiatrischen Störungsbilder auch bei Kindern und Jugendlichen vorkommen. Ausnahmen sind Persönlichkeitsstörungen, die im Kindesalter nicht diagnostiziert werden, und Erkrankungen wie etwa Schizophrenien, die bei Kindern ebenfalls sehr selten sind. Besonders wesentlich scheinen in jungen Lebensaltern Angststörungen (inklusive Belastungs- und Anpassungsstörungen), aggressiv-dissoziale Störungen bzw. Störungen des Sozialverhaltens, hyperkinetische Störungen (zum Beispiel Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung/ ADHS) und emotionale Störungen (vgl. Fuchs/ Karwautz). Wie oft treten sie auf? Die Prävalenz, also die Häufigkeit, lässt sich schwer angeben, denn sie schwankt abhängig von Studiendesign bzw. -methodik, den angelegten Diagnosekriterien und der untersuchten Stichprobe Auch sind geschlechts- und altersabhängige Unterschiede bekannt. Eine umfangreiche Metastudie von Polanczyk und Kollegen ermöglicht jedoch eine Orientierung. Die Forscher beziffern die weltweite Prävalenz für Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen auf 6,5 %, die Prävalenz für Störungen des Sozialverhaltens auf 5,7 %, die Prävalenz für Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen auf 3,4 % und die Prävalenz für depressive Störungen auf 2,6 %. Damit deuten die Daten darauf hin, dass außergewöhnlich laute, impulsive oder aggressive Verhaltensweisen, die im Schulalltag besonders schnell störend und interventionsbedürftig erscheinen, nicht per se häufiger als äußerlich ›unauffälligere‹, aber nicht minder schwere ›internalisierende Erkrankungen‹ sind. Gerade pathologische Ängste oder Depressionen werden jedoch leichter übersehen oder in ihrer Schwere unterschätzt. [...]
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