archivierte Ausgabe 2/2022 |
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Gerhard Büttner / Oliver Reis |
Was meint Digitalisierung und was hat das mit dem RU zu tun? |
Das Schlagwort ›Digitalisierung‹ ist in aller Munde, auch und gerade in der Schule. Hat der RU sein Verwickeltsein in diese Prozesse im Blick? Schafft er es – über die reine Wissensvermittlung hinaus –, auch die ›unentscheidbaren‹ Fragen ins digitale System zu übertragen? |
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Was meint Digitalisierung und was hat das mit dem RU zu tun? Die Antwort ist nicht einfach und hängt davon ab, wie tief man das Verhältnis von Digitalisierung und Gesellschaft denkt. Schaut man auf die letzten Jahrzehnte zurück, dann bedeutete Digitalisierung praktisch die schleichende Ersetzung der sog. audiovisuellen Medien (Kassetten- und Videorekorder mit Fernseher, sowie Film- und Diaprojektor) durch Laptop, Beamer und z. T. interaktives Whiteboard. Für die Organisation des Unterrichts änderte sich dadurch nicht viel (vgl. Thiersch/Wolf; Sahlström u. a.). Dies gilt selbst dann, wenn das Klassenzimmer einen Internet-Zugang hat und die Lehrkraft die Materialien direkt aus dem Netz beziehen kann. Selbst ein Klassencomputer oder Tablets zur Recherche für Schüler*innen ändern daran wenig. Die Unterrichtsstruktur, die Rollenverhältnisse laufen weiter nach dem Muster des klassenöffentlichen Unterrichts: Impuls-Response-Feedback. Die Lehrkraft entwickelt einen Handlungsplan, gibt Impulse, erhält Resonanz, steuert nach, kontrolliert den Lernprozess und drückt am Ende der Lerneinheit auf das Tempo, um noch in der Zeit Feedback zum Geleisteten und die nächsten Handlungsimpulse für die kommende Lerneinheit zu geben. Digitalisierung meint in der Praxis auf den ersten Blick den Einsatz digitaler Medien, die den Unterricht in dieser Spur effektiver machen, weil Daten zwischen Lehrkraft und Schüler*innen und unter diesen schneller ausgetauscht werden können – auch wenn sich die Verheißung nicht immer erfüllt (vgl. Reis/Caruso; Caruso/Reis).
Lena Christin Ohm gibt ein Beispiel, was das für eine 10. Klasse heißen kann. Mit ihren Smartphones steuern die Schüler*innen die Arbeitsblätter oder Lernspiele auf entsprechenden Plattformen (z. B. rpi-virtuell) an und bearbeiten sie. Ergebnisse von Schülerarbeiten werden über die Lehrkraft allen zugänglich gemacht und fließen in die Dokumentation des Lernfortschritts ein. Diese Formalisierung der Datenströme im Religionsunterricht ist einerseits an die fachkulturelle Praxis des RUs gebunden, sie wird ja mit digitalen Medien übersetzt. Anderseits deutet sich an, dass schon der Einsatz der digitalen Medien nicht folgenlos für die Fachkultur ist. Auf der einen Seite erhöhen sie die Möglichkeiten der Partizipation wie bei Mentimeter und verändern asymmetrische Rollen. Es können sich Inseln bilden, in denen die Schüler*innen eigensinnig Themen aufarbeiten und dabei ungeplante Referenzen einspielen, kooperative Tools wie Padlets setzen neue kreative Prozesse frei, die demokratisch zu neuem sozialen Wissen führen. Auf der anderen Seite können digitale Lernumgebungen vor allem Informationen verarbeiten, sodass digital gestützter Unterricht am effektivsten religionsbezogenes Wissen austauscht. Die Nutzung externer Quellen für Recherchen folgt den Pfaden der Wissensalgorithmen der Suchmaschinen, die religionsbezogenes Wissen stark schematisieren. Religiöse Differenzen, Differenzen zwischen Religiositäten und Religionen, Mehrdeutigkeiten, Ambiguitäten – Auslöser für das Lernen von Hermeneutiken – bleiben dabei eher verdeckt, lassen sich nicht gut in den digitalen Datenbahnen verarbeiten.
Digitale Medien können öffnen und schließen
Die Ambivalenz des digitalgestützten Lernens lässt sich gut mit der Theorie des E-Learnings nach Schulmeister nachvollziehen. Schulmeister unterscheidet zwei Formen von digitalen Lernumgebungen:
a.) geschlossene Lernumgebungen, die Inhalte standardisieren und individuelles Lernen bevorzugen, d. h., einzelne Lernende setzen sich dyadisch mit digitalisierten Lernobjekten (Videos, Texte, Bilder) auseinander und speisen die Ergebnisse in andere Prozesse wieder ein; b.) offene Lernumgebungen, die die Bedeutung von Inhalten erst kokonstruktiv in Kollaboration entwickeln, d. h., Lernende setzen sich in triadischen Lagen mit digitalen Lernobjekten auseinander, ohne dass eine äußere Norm schon vorher über die Bedeutung entscheiden kann. Übergänge zwischen diesen beiden Formen sind mühsam, weil die Rollen und auch der Wissensbegriff unterschiedlich sind.
Für die Lernumgebungen des Religionsunterrichts lassen sich vier Handlungsformen unterscheiden, die in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen im Religionsunterricht anzutreffen sind: 1. Instruktionen durch die Lehrkraft; 2. Die Kommunikation in der Klasse; 3. Performative Aktivitäten; 4. Einzel- und Gruppenarbeit der Schüler*innen.
Die digital-gestützten Praktiken beziehen sich vor dem Frühjahr 2020 vor allem auf die Instruktion der Lehrkraft oder die von Schülergruppen in Referatssituationen. Nur in Projektschulen mit ausreichend vielen Endgeräten werden diese Instruktionssituationen schon mit digitalisierten Kommunikationssituationen verbunden (Chat zu Referatsergebnissen; Forum, um eine Anschlussthese nach einem Referat zu diskutieren). Es werden Arbeitsergebnisse aus Gruppenarbeiten direkt mit der Klasse geteilt, gegenseitig kommentiert, bewertet, überarbeitet und gesichert oder es werden aus der Themenarbeit performative, d. h. religionsbezogene und perspektivierte Handlungsimpulse ausgelöst und z. B. in comics mit der Software Cartoon-Story-Maker oder in ein Filmprojekt überführt. Das sorgt dafür, dass digitale Medien vor Corona in der Regel eher in den geschlossenen Lernumgebungen dyadisch zum Einsatz kommen, dann aber mit anderen offenen analogen Handlungsformen kombiniert und in analogen lehrkräfteorientierten Ergebnissicherungen zusammengeführt werden. [...]
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