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PRAXIS
Julia Schad-Heim
Armutssensibilität in der Schulsozialarbeit
In kaum einer anderen Industrienation hängen Bildungserfolge von jungen Menschen so stark vom sozioökonomischen Status ihrer Familien ab wie in Deutschland. Schulsozialarbeiter*innen können in einem konstruktiven Zusammenspiel multiprofessioneller Teams an Schulen Impulse für mehr Chancengleichheit geben.
Ungebrochen stark ist die Korrelation von Bildungschancen und sozialer Herkunft junger Menschen in Deutschland. Im Juni 2024 hat dies der Nationale Bildungsbericht zum wiederholten Mal nachgewiesen. Insbesondere wenn eine »finanzielle Risikolage« der Familie vorliegt (daneben spielen auch die soziale Risikolage oder die Risikolage formal gering qualifizierter Eltern eine Rolle), habe das einen negativen Einfluss auf die Bildungschancen der Kinder (Autor*innengruppe Bildungsberichterstattung 2024). Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland ist aktuell von einer finanziellen Risikolage betroffen und lebt damit unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze, so der Bericht. Gegenüber 2013 sei der Anteil der von dieser Risikolage betroffenen Kinder in Deutschland von 19 Prozent auf 22 Prozent gestiegen. Diese Zahlen belegen, dass es sich beim Ausmaß von Armut und Armutsgefährdung junger Menschen um ein manifestes Problem handelt. Die Chancen auf erfolgreiche Bildungsverläufe und gesellschaftliche Teilhabe sind sehr ungleich verteilt.

Mädchen besonders gefährdet im Armutskreislauf

Die Nationale Armutskonferenz (2017) hat geschlechterspezifische Effekte bei der Ausbildungs- und Berufswahl junger Menschen gezielt in den Blick genommen. Deutlich wird dabei, dass Mädchen/junge Frauen sich überproportional häufig für »typisch weibliche Berufe « entscheiden, z. B. Verkäuferin, Einzelhandelskauffrau, Friseurin, die mit geringeren Einkommensperspektiven verbunden sind. Immer noch bereiten sie sich eher auf eine Doppelrolle in Beruf und Familie vor als Jungen.

Gender Pay Gap, prekäre Arbeitsverhältnisse, geringe Teilzeitbeschäftigung und Arbeitslosigkeit bergen größere finanzielle Risiken für Mädchen und junge Frauen im gesamten Lebenslauf. Der Armutskreislauf kann sich über Generationen hinweg fortsetzen (IN VIA Deutschland 2021). Denn nur ein Drittel der Kinder und Jugendlichen, die in Armut aufwachsen, durchbricht den Armutskreislauf (BAG KJS 2022).

Mehr Chancen durch Soziale Arbeit am Lern- und Lebensort Schule

Angebote der schulbezogenen Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit unterstützen junge Menschen dabei, den Schulalltag zu bewältigen, und begleiten ihre Persönlichkeitsentwicklung. Sie ermöglichen Selbstwirksamkeitserfahrungen. Sowohl Gruppenangebote, z. T. auch gezielt in Mädchengruppen, als auch Einzelberatung werden angeboten – vertrauensvoll und beziehungsorientiert. Soziales Lernen, präventive Maßnahmen, Sozialraumarbeit, Orientierungsangebote und Weitervermittlung in gezielte Unterstützungsangebote gehören zu den vielfältigen Aufgaben der Fachkräfte der Sozialen Arbeit in der Schule. Für die jungen Menschen, Eltern und Lehrkräfte sowie für weitere Akteur*innen aus dem multiprofessionellen Team an Schulen sind sie ansprechbar. Die Fachkräfte treten zudem anwaltschaftlich für die Anliegen und Bedarfe junger Menschen – nicht nur in der Schule – ein.

Die genannten Angebote sind ein Ausschnitt des »Werkzeugkastens«, mit dem die Fachkräfte der Sozialen Arbeit in Schulen arbeiten. Sie sind sensibilisiert für die diversen Diskriminierungsformen, die im Schulalltag auftreten können (GEW et al. 2021). Sie sind Ansprechpartner* innen für junge Menschen und Familien, die von den Auswirkungen von Armut betroffen sind, haben die geschlechterspezifischen Implikationen im Blick und leisten so einen wichtigen Beitrag für mehr Chancengleichheit. Beispielhaft und konkret:

  • Sie können Konfliktbearbeitung unterstützen, wenn es zu armutsbezogener (oder anderer) Diskriminierung kommt.
  • Sie können in der Schulgemeinschaft informieren über und sensibilisieren für wichtige Voraussetzungen gesellschaftlicher Teilhabe (Umgang mit Krisen, Resilienzförderung, Schutz, Medienkompetenz, Schulabschluss, »Schulsozialarbeiter*innen sind aufgrund ihrer Rolle und ihrer fachlichen Expertise in besonderer Weise den Themen Ungleichheit und Diskriminierung verpflichtet und in besonderer Weise damit konfrontiert.« (GEW et al. 2021) physische und psychische Gesundheit, Ausbildung und Beruf …).
  • In Zusammenarbeit mit Akteur*innen der Jugendberufshilfe können sie zur beruflichen Orientierung beitragen, z. T. auch gezielt mit Angeboten für Mädchen.
  • Sie können über Hilfen (finanzielle oder weitere) aufklären und dabei unterstützen, diese in Anspruch zu nehmen.
  • Sie haben Wirkungen von Zuschreibungen und (struktureller) Diskriminierung im Blick und beziehen anwaltschaftlich Position für junge Menschen – auch im politischen Kontext (z. B. in Jugendhilfeausschüssen).

Armutssensibel arbeiten im multiprofessionellen Team

Die gesellschaftspolitischen Entwicklungen der letzten Jahre sowie die Auswirkungen anhaltender multipler Krisen sind auf dem Schulhof präsent (Kooperationsverbund Schulsozialarbeit 2019). Verstärkt wird deutlich, dass die soziale Herkunft ein zentraler Diskriminierungsgrund sein kann. Widerständiges oder zögerliches Verhalten, Schwänzen oder manifester Schulabsentismus bei jungen Menschen können vielfältige Gründe haben. Aus einer klassismuskritischen Perspektive (d. h. im Blick auf Diskriminierungsformen aufgrund der sozialen Herkunft bzw. »Klassenherkunft«) verbergen sich dahinter vor allem Scheu und Scham, aufgrund eingeschränkter finanzieller Möglichkeiten nicht mithalten oder mitmachen zu können (Ausstattung, Schulausflüge usw.). Die schulische Teilhabe und auch das Lernen sind hierdurch beeinträchtigt.

Für eine wirksame armutssensible und klassismuskritische Arbeit ist das gesamte multiprofessionelle Team an Schulen gefordert, sich fortzubilden und im Schulalltag zusammenzuwirken Lehrkräfte, Fachkräfte der Sozialen Arbeit, ggf. Schulpsycholog*innen, Schulbegleitung und Ganztagspersonal. Ebenso sind auch weitere Kooperationspartner*innen aus Jugendhilfe, Beratungsstellen und Sozialraum einzubeziehen.

Armut schränkt Bildungsteilhabe ein. Damit Bildungschancen erhöht werden können, ist die Bewertungs- und Selektionsfunktion von Schulen einmal mehr zu hinterfragen.

Bildungspolitik muss handeln für mehr Bildungsgerechtigkeit

Für die nachhaltige Verbesserung von Bildungschancen für alle jungen Menschen muss insgesamt die Kopplung von sozialer Herkunft und Bildungschancen aufgebrochen werden. Das erfordert systemische Veränderungen in Schulen. Im Kern geht es darum, menschenrechtliche Verpflichtungen seitens der Bildungspolitik zu erfüllen: das Recht des Kindes auf Bildung auf der Grundlage von Chancengleichheit (Artikel 28, UN-Kinderrechtskonvention) sowie das Recht von Menschen mit Behinderungen auf ein inklusives Bildungssystem, ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit (Artikel 24, UN-Behindertenrechtskonvention).

Für diese Veränderungen gibt es derzeit konkrete Initiativen mit Potenzial. So werden ab dem Schuljahr 2024/2025 Schulen »in herausfordernder Lage« im »Startchancen-Programm« gefördert (BMBF 2024). Gezielt sollen davon junge Menschen aus sozio-ökonomisch benachteiligtem Umfeld profitieren und bessere Bildungschancen erhalten. Obwohl nur zehn Prozent der Schulen bundesweit an dem Programm beteiligt sein werden, muss das Programm in den nächsten zehn Jahren weiterführende Erkenntnisse und Handlungsanforderungen identifizieren, um das gesamte Bildungssystem perspektivisch gerechter zu gestalten. Seitens der Bundesebene besteht die Absicht, damit eine tiefgreifende Verbesserung der Zusammenarbeit von Bildungsverantwortlichen zu erreichen (»Kooperationsgebot« statt »Kooperationsverbot «). Dies bietet die Chance, vorwärtszukommen bei der Erfüllung der genannten menschenrechtlichen Vorgaben: Bildungs- und Lebenschancen für alle jungen Menschen in Deutschland anzugleichen.

Unklar bleibt dabei, ob die Absichten von Bund und Ländern in dieselbe Richtung gehen. Schon jetzt ist ersichtlich, dass die Bundesländer zum größten Teil die messbare Leistungsverbesserung in den Kernfächern Mathematik und Deutsch als Programmziele fokussieren, obwohl das nur ein Teilziel von mehreren ist. Die Bewertungsfunktion der Schule steht so wieder im Vordergrund. Notwendig für eine gute Bildungsperspektive für alle jungen Menschen wäre jedoch, im multiprofessionellen Team und mit externen Kooperationspartner* innen, wie der Jugendhilfe, konstruktiv zusammen zu arbeiten. Die Lebensthemen und -herausforderungen von Kindern und Jugendlichen können auf diese Weise ganzheitlich mit ihnen bearbeitet werden. Nur so können sie Bildungschancen und -erfolge auch nachhaltig verbuchen (Schad-Heim 2024).

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