archivierte Ausgabe 4/2017 |
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Viera Pirker |
Seht, ein Mensch: Der Christus von Aulhausen |
Da steht ein Mensch.
Schwer und leicht – groß und ruhig – wuchtig und fein.
Da steht er und schaut. Schaut einen an, schaut drüber hinweg.
Er breitet die Arme aus. Er zeigt seine Risse und Wunden.
Komm. Komm zu mir. |
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Julius Bockelt, Zeit, Digitaldruck, Glas, 2013–2015, Foto: © Norbert Miguletz, Sankt Vincenzstift gGmbH |
KünstlerInnen mit Beeinträchtigung werden erst seit wenigen Jahrzehnten in ihrer individuellen, gestalterischen Arbeit wahr- und zunehmend auch ernst genommen. Kann man eine Neuinterpretation der christlichen Ikonografie in ihre Hände legen, gar die Überarbeitung einer ganzen Kirche? Wie interpretieren sie den Glauben, den sie nicht notwendig auch teilen? Welche Wege der Auseinandersetzung gehen sie?
Ein schwerer Anweg
Im Zentrum dieser Werksbeschreibung steht ein Kreuz, zu dem der Anweg in mehrfacher Hinsicht nicht einfach ist. Es steht mitten im Rheingau, hinter Rüdesheim. Aulhausen ist ein kleiner Ort mit alter Geschichte, stark geprägt vom Vinzenzstift, das in einem ehemaligen Zisterzienserkloster residiert und einen großen Lebensraum für Menschen mit Behinderung bietet. Schulen, Werkstätten, Pflegeeinrichtungen, Wohngruppen, Verwaltungsgebäude reihen sich aneinander, und auch die kleine, gotische Marienkirche am Rand des Gebäudeensembles. Das Auto muss geparkt, der Schlüssel für die Kirche organisiert, der Eingang gesucht werden. Und dann, wenn man schon fast nicht mehr dran glaubt, steht er da und heißt alle willkommen: der Christus von Aulhausen.
Kurz vor dem Ende der Welt ist einer über sich hinausgewachsen. Ein alter Eichenstamm wurde im Stiftswald des Vinzenzstiftes geschlagen, und Julius Bockelt, Jahrgang 1983, hat diesen Jesus aus dem Stamm herausgeschält. Die Arme sind angesetzt, sie entstammen dem gleichen Baum. Die Skulptur eines Mannes mit ausgebreiteten Armen ist deutlich überlebensgroß. Obwohl in Kreuzesform, fehlt doch das Kreuz selbst: Es ist ein Bildnis des Auferstandenen, mit eigentümlicher Präsenz und natürlicher Körperlichkeit. Er ist typisiert und individuell zugleich. Deutlich fällt die leichte Untersetztheit des Körpers auf, auch die Proportionen und Konturen sind ungewohnt breit, übergangslos. Dieser Christus hat stämmige Beine, große Füße und einen kleinen, glatzigen Kopf. Beim näheren Hintreten sieht man, dass die ganze Figur mit Rissen und Furchen durchzogen ist: Das Holz ist erst im Laufe der Bearbeitung getrocknet und hat sich dadurch verändert. Die Konturen sind – trotz des unüblichen Verlaufs – fein und genau gezogen. Eine Hosenform zeichnet sich ab. Augen und Ohren sind da, jedoch kein Mund. Im Körper schwingt der Rippenbogen, doch es fehlt der Bauchnabel. Die mächtige Figur aus Holz ist 3,10 m hoch und spannt die Arme über 2,60 m aus. Mit sicherem Stand und fest auf einem Sockel gegründet, ragt sie in die Apsis der zisterziensischen Kirche, die baulich komplett aus dem 13. Jahrhundert stammt. [...]
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