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Andrea Pingel / Silke Starke-Uekermann |
Kinder- und Jugendarmut in Deutschland: Hinschauen und Handeln |
Die Bundesregierung hatte im November 2021 im Koalitionsvertrag versprochen: »Kinder und Jugendliche sollen mit gleichen Lebenschancen aufwachsen, unabhängig von ihrer Herkunft. Sie haben eigene Rechte. Ihre Anliegen und Interessen sind uns wichtig (…).« Was hat sich davon erfüllt? |
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Im Koalitionsvertrag hatte die bisherige Bundesregierung ein wichtiges Versprechen abgegeben für die junge Generation: Kinder und Jugendliche sollen konsequent aus der Armut geholt werden. Ihre Rechte sollen verankert, ihre Beteiligung ernst genommen und ihre Teilhabe und Bildung umfassend gesichert werden. Insbesondere die Kindergrundsicherung sollte der große Wurf werden, um Armut von Kindern und Jugendlichen grundsätzlich entgegenzuwirken. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Selbst wenn diese Legislaturperiode nicht am 6. November 2024 abrupt beendet worden wäre, wäre das Vorhaben wohl dennoch umfänglich gescheitert. Seit längerem zeichnete sich ab, dass mit dem nun geplanten Kindergarantiebetrag (analog zum Kindergeld) es nur zu einer »Minilösung« kommt, die den eigentlichen Zielen der Kindergrundsicherung kaum gerecht wird. Und angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Krisen, insbesondere auch im Bildungssystem, ist die deutsche Gesellschaft von der notwendigen Bildungsgerechtigkeit, der umfassenden Teilhabe, auf die alle jungen Menschen ein Recht haben, weiter entfernt als zuvor. Denn die Armut unter jungen Menschen ist kein individuelles Problem, sie hat System.
Armut in Deutschland hat ein junges Gesicht
Jedes fünfte Kind ist von Armut bedroht und sogar jede*r vierte Jugendliche bis 25 Jahren. Zuletzt hat das Statistische Bundesamt berechnet, dass 2,1 Millionen Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren in Deutschland als armutsgefährdet gelten. Die höchste Armutsgefährdungsquote liegt mit 25,5 % bei den 18- bis 24-Jährigen. Hinzu kommt eine Dunkelziffer von rund einer Million Kindern und Jugendlichen in Familien, die Anspruch auf Unterstützungsleistungen wie Grundsicherung oder Wohngeld haben, aber deren Eltern aus unterschiedlichsten Gründen keine entsprechenden Anträge stellen. Nicht nur für Familien, selbst für Expert* innen sind die unterschiedlichen Hilfesysteme, Ansprüche und Fördermöglichkeiten längst viel zu unübersichtlich geworden und die Hürden zu der Unterstützung oft sehr hoch. Teilhabe- und Entwicklungschancen von Kindern und Jugendlichen sind aber in hohem Maße von den Ressourcen der einzelnen Familien abhängig. Das höchste Armutsrisiko tragen Alleinerziehende, Familien mit mehreren Kindern und Familien mit Migrationshintergrund. Bundesweit sind bei einer großen regionalen Spreizung über 40 % der Kinder von Alleinerziehenden armutsgefährdet (32,5 % in Bayern, in Bremen hingegen über 60 %). Auch Kinder in Familien mit drei oder mehr Kindern sind einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt. In Bayern betrifft dies 21,2 %, während es in Bremen 55,4 % sind.
Bildungsungerechtigkeit und Zukunftschancen
Ein weiterer entscheidender Faktor für die Armut von jungen Menschen ist nicht nur das Einkommen, sondern auch der Bildungsabschluss der Eltern. Ohne eigenen Berufsabschluss der Eltern steigt die Armutsgefährdungsquote der Kinder auf 37,6 %. Haben Eltern einen Meistertitel oder Studienabschluss, liegt die Quote laut Statistischem Bundesamt im Juli 2023 bei 6,7 %. Umgekehrt liegt bei Alleinerziehenden mit geringem Einkommen oder Eltern mit Migrationsgeschichte die Chance auf einen guten Bildungsabschluss nur bei 21,5 %. Bei Kindern aus wohlhabenderen Elternhäusern oder/und wenn beide Elternteile Abitur haben, haben ihre Kinder zu 80 % ebenfalls einen guten Bildungsabschluss. Dass fast 20 % aller jungen Menschen als »Risikoschüler* innen« gelten und viel zu viele langfristig ohne Schulabschluss und ohne Berufsqualifizierung bleiben, ist ein nicht hinzunehmender Zustand, der sich durch die Pandemie noch verschärft hat.
Bildung ist einer der Schlüssel zur Bekämpfung von Armut. Doch der Zugang zu Bildungsangeboten hängt stark von der sozialen Herkunft ab. Zuletzt hat der aktuelle Nationale Bildungsbericht diese »alten« Befunde erneut bestätigt. Kinder aus den »oberen Schichten« haben im Vergleich zu Kindern von Arbeiterfamilien eine 25-mal höhere Chance auf eine Gymnasialempfehlung – selbst bei gleicher Leistung. Und auch ein guter Bildungsabschluss führt nicht zwangsläufig aus der Armut: Laut der OECD-Studie »A Broken Social Elevator? How to promote Social Mobility« kann es in Deutschland bis zu sechs Generationen dauern, bis die Nachkommen einer einkommensschwachen Familie das Durchschnittseinkommen erreichen. Diese »vererbte Armut« zeigt, wie schwierig es ist, aus dem Kreislauf der Armut auszubrechen. Armut in der Familie verhindert Bildungsmobilität und die Selbstständigkeit junger Menschen in Ausbildung und Studium. [...]
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