archivierte Ausgabe 4/2022 |
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Inci Dirim / PaÌul Mecheril |
Differenzordnung und Diskriminierungsverhältnisse |
Der Ausdruck Heterogenität ist seit einiger Zeit in bildungswissenschaftlichen, pädagogischen und fachdidaktischen Diskursen populär, insbesondere, wenn sie Schule und Unterricht zum Thema machen. Als eine Art Code oder Chiffre verweist das Zeichen Heterogenität darauf, dass die didaktische und pädagogische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Differenzordnungen einen allgemeinen schulpädagogischen Topos darstellt. |
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Eine wichtige Rolle spielt dabei, dass die Schulkultur und -tradition des ›Insistierens‹ auf einer Homogenitätsfiktion seit einiger Zeit in eine Krise geraten ist. Lutz und Wennig (2001,12) machen darauf aufmerksam, dass in den vergangenen Jahrzehnten im Zuge der eines erhöhten demokratischen Bewusstseins für soziale Ungleichheiten Universalitätsansprüche des pädagogischen Mainstreams thematisiert werden. Das Thema Heterogenität verweist insofern auch auf die Frage, wie es möglich ist, dass sich bestimmte Normalitätsvorstellungen nach wie vor als weitgehend unhinterfragte und vermeintlich allgemein gültige Selbstverständlichkeiten behaupten. Wenn Fragen von Differenz somit also auch auf Strategien, Mechanismen und Ordnungen verweisen, in und durch welche sich partikulare Zusammenhänge als selbstverständliche, scheinbar allgemeingültige, unhinterfragte und (meist stillschweigend) vorausgesetzte Ordnungen und Normalitäten behandelt werden, führt das Thema Differenz auch zu Fragen von Macht- und Diskriminierungsverhältnissen.
Im Fokus einer entsprechenden Auseinandersetzung mit Heterogenität, Vielfalt und Diversität steht der Zusammenhang zwischen Differenz (Beispiel: die meisten Menschen besitzen einen Pass, manche aber einen anderen als die Bürger*innen des Staates, in dem sie leben) und Diskriminierung (Beispiel: bei der Arbeitssuche haben die Bürger*innen eines Staates Vorrang) sowie der Zusammenhang zwischen Normalitätsvorstellung (Beispiel: Die Annahme von Lehrer*innen, dass Schüler*innen normalerweise Deutsch sprechen) und Normalitätsverhältnissen (Beispiel: der deutschsprachige Unterricht bedeutet für Schüler*innen mit unterschiedlich gut entwickelten Deutschkenntnissen ungleiche Lernmöglichkeiten).
Wenn über Heterogenität gesprochen wird, kommen Differenz- und Diskriminierungsverhältnisse in ihrer Bedeutung für (schulische) Bildungsprozesse in den Blick, wobei Differenzordnung und Diskriminierungsverhältnisse letztlich nicht zwei getrennte Sachverhalte darstellen, sondern eher zwei Seiten einer Medaille. Nicht in jeder Verwendung des Ausdrucks Heterogenität (oder auch Vielfalt, Pluralität, Diversität) in der Fachliteratur wird auf beide Begriffe explizit Bezug genommen; gleichwohl verweist Heterogenität auf einen Zusammenhang, für den die Begriffe Differenzordnung und Diskriminierungsverhältnisse systematisch konstitutiv sind.
Gesellschaftliche Differenzordnungen
Differenz geht auf das Lateinische differentia zurück, was ›Unterschied, Verschiedenheit‹ meint und stellt einen philosophischen Grundbegriff dar. Im Rahmen von pädagogischen Heterogenitätsdiskursen interessieren jedoch in erster Linie soziale und gesellschaftliche Unterschiede zwischen Menschen und zwar jene, die einerseits bedeutsam sind für Lern- und Bildungsprozesse und andererseits durch Lernund Bildungsprozesse nahegelegt, fortgeführt und ermöglicht werden. In Heterogenitätsdiskursen sind hierfür die Termini »Differenz«, »Unterschied«, »Differenzlinie« oder »Differenzverhältnisse « anzutreffen. Es handelt sich um gesellschaftlich konstruierte und gesellschaftlich folgenreiche Unterscheidungsweisen, die über hegemoniale kulturelle Regeln, in denen zum Ausdruck kommt, was als legitim und illegitim gilt, wirksam werden.
Differenzen, die auf unterschiedlichen, analytisch erfassbaren ›Linien‹ vorstellbar sind, die eine dichotome Zweiteilung kennzeichnet, können als »Resultate sozialer Konstruktionen « (Lutz/Wenning 2001, 21) analysiert werden. Allerdings sind als Ergebnisse sozialer Unterscheidungspraktiken nicht an sich gegeben, ›natürlicherweise‹ vorhanden oder haben unveränderbar Bestand. Sie stellen vielmehr kontingente, das heißt zeitlich und räumlich bedingte, an bestimmte Praktiken gebundene, nicht ein für alle Mal gegebene soziale Ordnungskategorien dar, entlang derer Individuen sozial positioniert werden bzw. sich selber positionieren. Selbsterfahrungen (z. B. als jung oder alt) wie auch entsprechende Identifikationen durch andere sind nicht gänzlich passiv ›empfangene‹ Phänomene. Die verhalten sich aktiv, affirmativ, kritisch oder unentschieden zu den an sie herangetragenen Positionen in den Differenzverhältnissen oder -linien. Allgemein führen Differenzlinien Unterscheidungen ein, die das gesellschaftliche Geschehen für die Mitglieder dieser gesellschaftlichen Verhältnisse begreifbar machen. Erfahren, begriffen und verstanden wird mit Hilfe von Differenzen gesellschaftliche Realität und die eigene Position in ihr. [...]
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