archivierte Ausgabe 5/2022 |
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Stefan Altmeyer |
Falsche Propheten oder: Vertrauen ist gut, wann ist Kontrolle besser? |
Wer hätte gedacht, dass ein binnenreligiöser Ladenhüter wie »Falsche Prophet*innen« unter den Vorzeichen aktueller Krisen noch einmal derart brisant sein würde? Damit ist das biblische Lernen zum Thema Prophetie herausgefordert, mehr Kritik zu wagen und diese auch zu üben. Eine Einführung in das Heftthema. |
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»Alarmglocken: Passt auf vor den Pseudopropheten, die den ganzen Tag nur dummes Zeug erzählen! Sie tun so, als wären sie ganz friedlich unterwegs, aber in Wirklichkeit sind sie brandgefährlich« (Mt 7,15). Man kann zum Projekt der Volxbibel stehen wie man will, in diesem Vers aus der Bergpredigt hat sie definitiv den richtigen Ton getroffen. Alles, was nach »Predigt « klingt, ist verschwunden, einschließlich des berühmten Bildes vom Wolf im Schafspelz. Falsche Propheten, so lesen wir in der Einheitsübersetzung, »kommen zu euch in Schafskleidern, im Inneren aber sind sie reißende Wölfe« (Mt 7,15). Schon die frühchristliche Bibelauslegung hat bemerkt, dass dieses Bild scheinbar jede*r sofort versteht, zugleich aber absolut offen ist, wer oder was damit gemeint ist. Im monumentalen Matthäuskommentar von Ulrich Luz heißt es dazu sogar: Kaum eine andere Stelle aus der Bergpredigt ist so oft zitiert worden wie diese, und zwar wohl einfach deshalb, weil sie »von jedem und gegen jeden verwendbar war« (Luz 531). Falsche Prophet*innen und Wolfsherzen sind immer die anderen. Die Volxbibel nun überträgt dieses offene Bild radikal in unsere Gegenwart und stellt uns Leute vor Augen, die scheinbar in bester Absicht haltlose Dinge propagieren und genau darin zu einer Gefahr für viele werden. Prägnanter lässt sich kaum artikulieren, wie aktuell das Phänomen der Falschprophetie gegenwärtig ist, vielleicht sogar aktueller denn je.
Falsche Prophet*innen: erstaunlich aktuell
Dabei galt das Thema bis vor einigen Jahren eher als ein binnenreligiöser Ladenhüter, für den sich bis auf charismatische und evangelikale Gruppen kaum jemand interessierte. Nur wer überhaupt in seinem (religiösen) Umfeld mit prophetischen Phänomenen zu tun hat, muss sich ernsthaft um die Unterscheidung zwischen wahren und falschen Prophet*innen bemühen. Für alle anderen ist dies ziemlich randständig. Entsprechende Antworten auf die Frage »Wie erkenne ich einen falschen Propheten? « lassen sich leicht im Internet recherchieren und folgen in der Regel einem einfachen, milieuspezifischen Muster. Man kann es auf einer Website wie »KTNJ, Keine Tricks – nur Jesus«, als »PowerTipp« nachlesen: »An der Bibel und an Jesus als Gottes lebendigen Sohn festhalten; da kann man nichts falsch machen. « Nur wer mit dem Echten bestens vertraut ist, wird eine Fälschung sicher erkennen können. Da hilft es natürlich, wenn nur wenige Klicks weiter auf passende Bibelstellen und deren eindeutige Auslegung verwiesen wird: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Doch wer hätte sich vorstellen können, dass wir es im Jahre 2022 bei Falschprophetie mit einem Thema zu tun haben, das sich keineswegs auf religiöse Randgruppen beschränkt, sondern gesamtgesellschaftlich hochaktuell ist? Wer hätte gedacht, in welchem Umfang wir mit Menschen konfrontiert sein würden, die »den ganzen Tag nur dummes Zeug erzählen «, massenhaft Anhängerschaft sammeln und darin zu »brandgefährlichen Pseudopropheten « werden: Coronaverharmloser, Impfgegner, Klimaleugner, Verschwörungstheoretiker und antidemokratische Agitatoren? Leider haben die vergangenen Krisenmonate nur allzu deutlich gezeigt, wie schnell und breit auch noch so groteske Ansichten und wilde Prophezeiungen (jüngst gerne »Geschwurbel« genannt) Verbreitung finden und sich dabei als erstaunlich immun gegen alle rationalen Aufklärungsversuche und evidenzbasierte Faktenchecks erweisen (vgl. Blume in diesem Heft). Gegen sogenannte berechtigte Sorgen, die emotional aufgegriffen, übersteigert und in diffuse Anklagen gewendet werden, lässt sich nur schwer ankommen. »Die falschen Propheten satteln eigene Ressentiments parasitär auf die bestehende Verunsicherung auf – und lenken sie gegen verhasste andere: ›die internationale Elite‹, meist gleichbedeutend mit: ›die Juden‹, ›die Flüchtlinge‹, ›die Fremden‹« (Emcke 248). Darin unterscheiden sich die aktuellen falschen Prophet*innen nicht von Demagogen früherer Zeiten, wohl aber in der Schnelligkeit und Reichweite, mit der sie ihre Ideen verbreiten (vgl. van der Velden in diesem Heft). [...]
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