Liebe Leserinnen und Leser,
»Amos – Prophet für heute«. Wir haben um die Formulierung des Heftthemas lange gerungen. Warum eigentlich? Dass Korruption, Ausbeutung und Unterdrückung in unserer Gegenwart tagtäglich Millionen in Armut und Elend stürzen und in ihrer Menschenwürde beschneiden, das steht außer Frage. Insofern ist die sozialethisch scharf akzentuierte Botschaft des Amosbuches unzweifelhaft aktuell. Vielleicht gilt das Unbehagen auch der Personalisierung: Müssen immer Einzelpersonen aufstehen, um möglichst prominent aufzurütteln, zu kritisieren, zu mahnen und zu warnen? Sehen wir erst dann das Ausmaß der Ungerechtigkeit und die Konsequenzen unseres Handelns, wenn uns Amos, Greta Thunberg oder Ai Weiwei den Spiegel vorhalten?
Das von Peter Orth und Stephan Pruchniewicz besorgte Heft will uns den biblischen Zusammenhang von Gerechtigkeit, Menschenwürde und Gottesbeziehung erschließen. Gunther Fleischer stellt in seinem Beitrag die aktuelle Diskussion um die Auslegung des biblischen Texts vor, die die Frage nach dem Verhältnis von Person und Botschaft neu und kontrovers ins Spiel bringt. Praxishinweise zum gesellschaftlichen Nahbereich stellen die Aktualität des biblischen Textes in Schule und Gemeinde vor Augen.
Dieser Nahbereich erschließt sich gerade auch in der Bildserie »Armut und Würde«, die uns der Verein »Sozialpädagogische Alternativen« aus Karlsruhe großzügig zur Verfügung gestellt hat. Der Fotograf Peter Empl hat zudem ein Plakat zum Thema »Armut« für uns gestaltet – mit Bildern, die sich Menschen und ihren Lebensräumen im Wortsinn zuwenden.
Im zweiten Heftteil geht es um liturgische Bildung unter den Bedingungen der Gegenwart. Dominik Blum nimmt den Umbau einer Hauskapelle in einer katholischen Schule zum Anlass, zu fragen, was für die Schulgemeinde und die einzelnen Schülerinnen eigentlich liturgisch wichtig und spirituell nötig ist. Wie ist mit den Spannungen, die sich ungeahnt in diesem Bereich auftun, umzugehen?
Viele Fragen in einem kurzen Editorial – geben wir ihnen Raum? Das fragt sich Ihre
Rita Burrichter